Altenstädter Freundeskreis für Flüchtlinge, 

 

wandte sich am 01.02.2016 an die Präsidentin des Hanauer Landgerichts, Frau Susanne Wetzel, und reichte

DienstaufsichtsbeschwerdeDr. Grasmck-Portrtaufnahme 2015

gegen den Richter Herrn Dr. Grasmück ein.

Dr. Grasmück war der Vorsitzende Richter der Hanauer Schwurkammer im Prozess gegen Baschar G. (2014-2015) im Fall der 2013 ermordeten, mit einem Holzknüppel grausamst zugerichteten Syrerin Vebronia Tabbo. Spaziergänger*innen hatten die Ermordete am 24. Mai 2013 weit hinten im Wald bei Ostheim, einem Stadtteil von Nidderau, aufgefunden.

 

 

 

An die Präsidentin des LG Hanau

Frau Susanne Wetzel

Nußallee 17

63450 Hanau

Einschreiben/Rückschein

 

Altenstadt, 01.02.2016

 Dienstaufsichtsbeschwerde

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin Wetzel,


unter dem Az.: 1 Ks 3325 Js 8353/13 wurde von der Strafkammer des Landgerichts Hanau, des­sen Präsidentin Sie sind, das Strafverfahren gegen Herrn Baschar Gharo, damals Hanauer Str. 9 in 63674 Altenstadt, in der Zeit zwischen Dezember 2014 bis zum 18. März 2015 durchgeführt. Vorsitzender Richter war Dr. Grasmück und die Anklage vertrat Staatsanwalt M. Pleuser.

Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, er habe am 23.Mai 2013 die Mutter, Frau Ve­bro­­nia Tabbo, seiner damaligen Verlobten, Claudia Tabbo, Altenstadt, ermordet.

Ich war als Beobachterin dieses Verfahrens für die Redaktion der Homepage www.­Al­ten­stadt-­an-der-Nidder.de anwesend (bzw. wurde an einigen Verhandlungstagen ver­treten), saß im Raum für die Öffentlichkeit und notierte mit (siehe dazu u.a. unter: http://www.altenstadt-an-der-nidder.de/gefaehrdungen/49-mordfall-tabbo-eine-synopse-der-prozessverhandlungen).

Nach seiner Entlassung aus der U-Haft, die der Haft­richter angeordnet hatte, wurde der An­ge­klagte Baschar Gharo am 18. März 2015 freigesprochen.

Gegenstand meiner Dienstaufsichtsbeschwerde ist nun:


1. Obgleich der Angeklagte freigesprochen wurde, wurde er in der Urteilsbegründung vom Ge­richt, namentlich vom Vorsitzenden Richter, Dr. Grasmück, trotz des Freispruchs weiterhin beschuldigt, den Tod der Vebronia Tabbo mit herbeigeführt zu haben. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Presseberichterstattung – im Anhang 1 übersende ich Ihnen eine kleine Sammlung dessen, was nicht nur die Altenstädter Leser*innen der kosten- und nicht ko­sten­pflichtigen Presse danach zu lesen bekamen.

Zu diesem Zeitpunkt war das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 10. Februar 2015, Az.: 1 KLs 5/08, schon rechtskräftig, in dem es der EGMR allen euro­päischen Richter*innen untersagte, Freisprüche zweiter Klasse zu fällen. Die Richter des EGMR hatten klar gestellt: Ein Freispruch sei ein Freispruch und es verstoße gegen den Zweifelsgrundsatz („in dubio pro reo“), trotzdem im Urteil eine Schuld des Freigesprochenen zu unterstellen – siehe Anlage 2.

Genau das aber haben sowohl Staatsanwalt Pleuser als auch der Vorsitzende Richter der Straf­­kammer, Dr. Grasmück, im Falle des freigesprochenen Baschar Gharo getan.

In der mündlichen Urteilsbegründung hatte Dr. Grasmück dem Ehemann der Ermordeten, A. Tabbo, unterstellt, der eigentliche Mörder gewesen zu sein. Sinngemäß hat Dr. Grasmück ausgeführt: Herr Tabbo habe seine Ehefrau am Morgen des 23. Mai 2013 stranguliert, habe gedacht, sie sei tot, habe den Brüdern Gharo den Auftrag gegeben, die Leiche irgendwo abzu­legen und sei danach zum Zahnarzt gegangen. Die Brüder Gharo hätten die für tot Gehaltene in den PKW des B. Gharo verfrachtet, seien in den Wald zwischen Limeshain und Ostheim gefahren, hätten dann bemerkt, Vebronia Tabbo ist gar nicht tot, seien in Panik gera­ten und hätten auf Körper und Kopf der Frau Tabbo mit einem Holzknüppel eingeschlagen.

Hier kam die Rechtsfigur der „überholenden Kausalität“ ins Spiel, um zu begründen, warum B. Gharo nicht wegen Mordes verurteilt werden könne: die Verletzungen der Ermordeten durch das Strangulieren seitens des Ehemannes seien so schwer gewesen, dass sie daran so­wie­so gestorben und auch nicht mehr wiederherstellbar gewesen wäre, hätten sie die Brüder statt in den Wald in ein Krankenhaus gebracht.

Dazu ist es wichtig zu wissen: Gegen den Ehemann der Ermordeten, A. Tabbo, waren weder Vorermittlungen durchgeführt noch eine Anklage erhoben worden. Bis zu dieser mündlichen Begründung des Urteils im Mordfall Tabbo seitens des Gerichts war er ein unbescholtener Mann, der nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten war oder ist. Seit dem 18. März 2015 aber ist er ein gerichtsöffentlich von einem Vorsitzenden Richter einer Strafkammer als Mörder stigmatisierter Mann.

In erheblichen Teilen der Bevölkerung Altenstadt und der Wetterau gelten die drei Genannten denn auch als die Mörder der Vebronia Tabbo: Sie hätten nur deshalb nicht verurteilt werden können, weil das Gericht die eigentlich todesbringende Tat keinem dieser Männer so zwei­fels­frei habe zuordnen können, wie vom Strafrecht verlangt.

Bis heute ist zu beobachten: Die wohl meisten der Altenstädter Bürger*innen, die die Be­rich­terstattung des immer gleichen Journalisten in den Regional­zeitungen verfolgt haben und die Beschuldigten von Angesicht kennen, wechseln den Bürgersteig, um ´diesen Mördern´ nicht begegnen zu müssen. Sinnfälliger kann eine soziale Stigmatisierung kaum werden.

Sogar der amtierende Bürgermeister Altenstadts, Herr Norbert Syguda, ist davon überzeugt. Das hat er mir in einem Gespräch im Dezember 2015 persönlich (u.a.) gesagt und sich dabei auf die in der Presse nachzulesende mündliche Urteilsbegründung des Dr. Grasmück am 18. März 2015 im Hanauer Landgericht berufen. Er habe keinen Grund, am Wahrheitsgehalt des richterlich Verkündeten zu zweifeln: Die deutsche Justiz arbeite korrekt.

2.)  Bis heute, nach zehn Monaten, hat die Strafkammer, deren Vorsitzender Dr. Grasmück in diesem Mordprozess war, keine schriftliche Urteilsbegründung vorgelegt. Im Zusammenhang mit den in der Urteilsbegründung vorgetragenen Feststellungen der Schuld der Angeklagten B. und G. Gharo und des bis dahin völlig unbescholtenen Ehemanns der Ermordeten, A. Tabbo, wäre es zudem von außerordentlich großer Wichtigkeit gewesen, dass die mündlich vorgetragenen Hinweise, Indizien und Beweise zu Lasten bzw. jene zur Entlastung der Angeklagten und des Nichtangeklagten sowie die dann maßgeblichen Urteilsgründe von der Kammer und deren Vorsitzenden schriftlich und nachlesbar vorgelegt worden wären. Obgleich dazu verpflichtet, hat die Kammer jedoch bis heute keine schriftliche Urteilsbegründung vorgelegt bzw. den Freigesprochenen/ihren Anwälten zugestellt. Zustellung und Kenntnisnahme des schriftlichen Urteils wären ferner auch deshalb so wichtig gewesen bzw. immer noch sehr wichtig, weil sowohl auf dem Knüppel als auch auf einer der Socken der Ermordeten - nach Aussage eines der im Prozess gehörten Gutachter - gut erhaltene DNA-Spuren zweier männlicher Personen gesichert werden konnten. Die DNA stammte nachweislich nicht von den trotz Freispruch zu Mördern Abge­stempelten. Dennoch hat das Gericht in der mündlichen Urteilsverkündung zu verstehen gegeben, dass es im Mordfall der deutsch-syrischen Vebronia Tabbo keine weite­ren polizeilichen bzw. staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen geben werde; an der Täterschaft des Ehemannes, des künftigen Schwiegersohns und dessen Bruder sei nicht zu zweifeln.

Nicht verschweigen möchte ich in diesem Zusammenhang – auch damit möchte ich kei­nes­falls die richterliche Unabhängigkeit in Frage stellen, wohl aber schlussendlich diese be­stimm­te richterliche Vorgehensweise außerhalb meiner Dienstaufsichtsbeschwerde kritisie­ren – dass es für mich wie viele andere Bürger*innen bis heute nicht nachvollziehbar ist, wa­rum 1.) das Gericht keine Inaugenscheinnahmen der unterstellten Tatorte vorgenommen hat und 2.) die Ermittlungsbehörden bzw. das Gericht kein Massenscreening von Speichelproben in Alten­­stadt und Umgebung mit dem Ziel angeordnet bzw. durchgeführt haben, evtl. die Perso­nen zu finden, von denen diese am Tatwerkzeug und Kleidungsstück der Ermordeten labor­analytisch gesicherten DNA-Spuren stammten. Massenscreenings dieser Art gehören heute ja wohl zum üblichen ermittlungstechnischen Arsenal der Ermittlungsbehörden. Warum es aber zur Aufklärung des Mordes an Vebronia Tabbo nicht genutzt wurde, ist im Kontext des Ge­samt­geschehens bemerkenswert, verursacht erhebliche Zweifel und wirft wichtige Fragen auf. Immerhin handelte es sich bei der Ermordeten um eine Person syrischer Her­kunft. Ein Jahr zuvor, am Aschermittwoch 2012, hatte man in Altenstadt auf den Bahngleisen die Leiche der siebzehnjährigen Afghanin Solmaz Obeidi gefunden. Sie war mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern aus Afghanistan geflohen und hatte im Flüchtlingshaus am Bahnhof gewohnt. Nach den der Familie bekannt gegebenen Ermittlungs­ergebnissen hatte Solmaz den Freitod gewählt. Im Obduktionsbericht stand jedoch, es könne nicht entschieden werden, ob das Mädchen durch eigene oder fremde Hand/Hände ums Leben gekommen ist. Dennoch hat die Gießener Staatsanwaltschaft die Akte geschlossen (siehe dazu unter: http://www.altenstadt-an-der-nidder.de/daseinsfuersorge/kommunal-global).

Es ist daher nicht auszuschließen, dass es sich bei beiden Todesfällen um fremdenfeindlich-rassistisch motivierte Gewalttaten gehandelt hat.  

 

Hochachtungsvoll

(..)

das sinkende Schiff Justicia-3 

 

Bereits am Freitag, den 12. Februar 2016 ging das Antwortschreiben der Landgerichtspräsidentin, Frau Susanne Wetzel, beim "Altenstädter Freundeskreis für Flüchtlinge" ein:

 

Antwort LG-Prsidentin Wetzel auf dienstaufsichtsbeschwerde ber Dr. Grasmck Feb-2016 

Antwort LG-Prsidentin Wetzel auf dienstaufsichtsbeschwerde ber Dr. Grasmck Feb-2016 2

 

Aus dem Schreiben der Gerichtspräsidentin geht hervor, dass sie den Richter, Herrn Dr. Grasmück, befragt hat, was er in der Urteilsverkündung am 18. März 2015 denn da so gesagt habe, dieser sich jedoch daran - man bedenke: nach einer langen Zeit von beinahe einem Jahr - nicht mehr konkret zu erinnern vermochte.                    das sinkende Schiff Justicia

Immerhin konnte sich Richter Grasmück noch daran erinnern, dass

1.) der Ehemann der Ermordeten mit der Ermordung seiner Frau nichts zu tun gehabt hat.

Vielmehr habe das Gericht unter seinem Vorsitz

"ganz im Gegenteil die Feststellung" getroffen, "dass  die Identität der Person, die die Würgehandlung vorgenommen hat, in der Hauptverhandlung nicht geklärt werden konnte."

2.) Was die in der mündlichen Urteilsbegründung vorgetragenen Beschuldigungen des Baschar G. angehe, hätten, so Frau Wetzel, 

"die möglichen Urteilsgründe vollständig Eingang in die schriftliche Urteilbegründung gefunden. Eine Beschuldigung des Baschar G., den Tod der Vebronia Tabbo herbeigeführt zu haben, findet sich in den schriftlichen Urteilsgründen allerdings nicht. Diese begründen vielmehr im Gegenteil, warum dem Freigesprochenen eine Tatbeteiligung nicht angelastet werden kann." 

                                                                            

das sinkende Schiff Justicia-2Diese Mitteilung ist nun so formuliert, dass der Freispruch des Baschar G. aus tatsächlichen Gründen erfolgte, d.h. der Tatvorwurf konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Ein Freispruch aus rechtlichen Gründen, d.h. die für erwiesen erachtete Tat ist nicht strafbar, wurde dagegen im Mordprozess gegen Baschar G. nicht gefällt, was bedeutet:

Baschar G. ist unschuldig.  

Daraus ergibt sich das implizite  und erschreckende Eingeständnis des Gerichts:

Der Mord an Vebronia Tabbo ist bis heute nicht aufgeklärt - der oder die Mörder sind nicht gefasst und straffrei geblieben.

 

 

Altenstadt-online, 13.02.2016